Kunst fürs Klo? Kunst vom Klo!
01 Mar, 2021Sich über Toilettenschmierereien zu ärgern ist out! Sie für den guten Zweck als einzigartige Kunstwerke für dein Wohnzimmer zu verkaufen hingegen in. „Kunst fürs Klo“ ist ein Corona Hilfs- und Kunstprojekt, das die Toilettenkunst in den Bars, Clubs und Restaurants St. Paulis fotografiert und weiterverkauft. Die Erlöse, die dadurch entstehen, kommen zu 100 % der Gastroszene Hamburgs zugute. Wie es zu dieser Idee kam, ob es von den drei Gründer*innen auch Klokunstwerke gibt und worauf sie sich nach der Pandemie freuen erzählen wir euch in unserem Blogartikel.
#Wir lieben Hamburg!
Einerseits gehört die Stadt an der Elbe zu den Modemetropolen schlechthin und ist Heimat vieler unserer Models, andererseits ist das Nachtleben der Hansestadt legendär und macht einen Besuch hier zum absoluten Muss. Doch leider hat die Pandemie auch den Hamburger Kiez fest im Griff, was einige Clubs und Bars in eine schwierige Lage versetzt. Auch Anne, René und Stefan lieben ihr Hamburg und haben nicht nur ein Herz für ihren Kiez, sondern auch für kunstvolle (Klo-)Kritzeleien. Um ihren Lieblingsclubs, -bars und -restaurants in St. Pauli zu helfen, haben die drei das Projekt „Kunst fürs Klo“ ins Leben gerufen. Von Bar zu Bar fotografierten sie sich durch die Klos ihres Stadtteils und setzten sich in ihrer Freizeit an die Bearbeitung. Nach fünf Monaten intensiver Arbeit und viel kreativem Hirnschmalz ging die Kunst fürs Klo am 01. Dezember 2020 online. Wer sich jetzt in der Webausstellung unsterblich in ein Klokunstwerk verliebt, der kann sich das Kiez-Feeling live ins Wohnzimmer holen – ganz ohne Kneipengeruch. Über ihren Webshop vertreiben Anne, René und Stefan die Kunstwerke als hochwertige Drucke. Die Einnahmen, die so erzielt werden, helfen dann eins zu eins der Location, die die entsprechende Klokunst schmückt. Sobald die Clubs ihre Türen wieder für die breiten Massen öffnen, kann sich jeder live und in Farbe von ihrer Schönheit bei ein, zwei Drinks selbst überzeugen.
Wir haben uns mit den Köpfen hinter dem Projekt unterhalten und ein paar spannende Eindrücke erhalten.
#Wie habt ihr euch kennengelernt?
„Stefan und ich kennen uns ca. 2 Jahre. Wir haben bis letztes Jahr zusammen in einer WG im Herzen von St. Pauli - direkt neben der Großen Freiheit 36 - gewohnt. Anne kenne ich aus dem Internet :D Ich hatte vor 2 Jahren unsere Coverband ‚Alex And The Waves‘ gegründet und Anne hatte sich auf eine Anzeige gemeldet - seitdem ist sie die Keyboarderin :) Hat sich dann irgendwie magisch gefügt - Stefan hatte eine Kamera und mag Projektmanagement, ich mag Bildbearbeitung und Texte schreiben und Anne studiert gerade IT und konnte den Webshop aufsetzen. War ziemlich perfekt.“
#Wann seit ihr das erste Mal bewusst mit der Klokunst in Berührung gekommen?
„Hahaha. Das war schon damals in meinem Heimatdorf in der Grundschule wo an die Toilettenwände irgendwelche Telefonnummern, ‚Willst du mit mir gehen‘ und ‚Marlon ist doof‘. Gekritzelt war. Ich hab mich damals schon gefragt ‚Wer macht sowas - Und warum? … und wer ruft diese Nummern an!?‘ Ist doch total strange da anzurufen mit ‚Hi, ich weiß nicht wer du bist, aber ich hab deine Nummer von ner Klowand...und das fand ich dann so interessant, dass ich dich einfach anrufen musste.‘ :D. Später in Frankfurt und Hamburg wurde es dann natürlich mit den Schmierereien auf Klowänden etwas anspruchsvoller und die Sprüche philosophischer und witziger. Zum Glück. ‚Marlon ist doof‘ würde sich wahrscheinlich niemand zu Hause hinhängen um Bars zu unterstützen.“
#Gibt es von euch das ein oder andere Kunstwerk an ungewöhnlichen Orten?
„Nein. Also wir alle drei haben das noch nie gemacht. Klingt jetzt vielleicht etwas spießig, aber haben da auch drüber gesprochen und wir sind halt einfach nicht so erzogen, dass man auf fremde Sachen kritzelt. Ist ja streng genommen auch Vandalismus. Auf der anderen Seite finden wir es ja cool und verurteilen es auch nicht, wenn es etwas ist, dass gut aussieht oder witzig ist - wir machen´s halt einfach selbst nicht. Ich hab das nur einmal gemacht - In der Grundschule - Bin aber durch meine Handschrift erwischt worden und musste dann die ganzen Wände putzen. Das war mir eine Lehre und hat bis heute angehalten :D.“
#Welche Kunst hängt bei euch privat auf der Toilette?
„Bei Stefan hängt irgendein Acrylbild in der WG, was da gefühlt schon seit 100 Jahren hängt, Anne hat nichts - ist das super clean/designy unterwegs - und ich hab ein süßes Portrait-Foto von einem flauschigen Hasen. Außerdem ist meine komplette Klobrille und Deckel mit Edding bemalt - Die haben meine Freunde bei meiner Einweihungsparty kreativ vollgeschmiert. und seitdem darf sich da jeder der zu Besuch kommt dort verewigen. Als Einweihungsgeschenk gab´s dann von ihnen einen neuen Klodeckel - den hab ich dann in der Hinterhand wenn ich mal wieder ausziehe. Natürlich haben wir auch Bilder von Locations gekauft - die hängen aber nicht auf dem Klo, sondern im Wohnzimmer :D.“
#Wo geht ihr zuerst etwas trinken, wenn der Kiez wieder öffnet?
„Ich glaube das werden wir auswürfeln oder eine Mexikanertour machen - Also Barhopping und in jeder Bar einen Mexikaner trinken. Das war damals WG-Tradition auf dem Berg, wenn jemand neu eingezogen ist. Bei über 50 Bars, die wir jetzt ja persönlich kennen, könnte das allerdings schon etwas gefährlich werden, wenn man sich das recht überlegt. Vielleicht schieben wir da auch mal ein Wasser mit ein :).“
#Tue Gutes und sprich darüber!
Zu den Unterstützern des Projekts zählen neben Jorge Gonzáles oder Revolverheld auch echte Kiezgrößen wie Jan Delay, Olli Schulz und Tim Mälzer. Neben dem Verkauf der Kunstwerke kommen so auch Erlöse aus der Verlosung signierter Bilder der Hamburger Gastroszene zugute. Und auch unter Kunstkritikern kommt die Aktion gut an. Dr. Sandra Danicke, Kunstkritikerin und Autorin, sieht in den kunstvollen Kritzeleien ein „authentisches Abbild der Gesellschaft und ihrer Abgründe“. Schrille, laute Farben treffen auf die Zurückhaltung simpler Formen und zeigen uns so den Zwiespalt, der in den Künstler*innen tobte. Zu unterschätzen ist außerdem nicht, welch emotionalen Tiefgang manch kunstvoll präsentierter Spruch mit sich bringt.
#Schwere Zeiten für Gastronom*innen
Corona hat der deutschen Gastronomie 2020 arg zugesetzt. Viele Clubs, Bars und Restaurants haben es nicht ins neue Jahr geschafft. Das ist zum einen dramatisch für die Menschen, die hinter den jeweiligen Betrieben stehen, zum anderen geht ein Teil unserer Kultur verloren. Viele Deutsche bangen um die Zukunft ihrer Lieblingsbar oder fragen sich, ob es nach der Pandemie überhaupt noch die Locations gibt, um mit Freunden und Familie feiern zu können. Die Staatshilfen sind nicht groß und zudem kommen sie nur schleppend bei den Gastronom*innen an. Wem es möglich war, der hat sein Geschäft umgestellt und angepasst. Doch wurden dabei auch viele im Stich gelassen oder waren auf die Unterstützung von Projekten wie Kunst fürs Klo angewiesen. Ob ihr der Hamburger Gastroszene etwas Gutes tun wollt oder euch einfach das Clubklo-Feeling fehlt, es lohnt sich in jedem Fall mal im Shop von KFK vorbeizuschauen.
PS: Bitte bemalt keine fremden Klos, außer für den guten Zweck!